Weihnachten reloaded – Ein paar Flocken im Schneetreiben

21.

Weihnachten liegt in der Luft. Ein Zauber, eine Besinnlichkeit verschönern den Tag, überall ist es plötzlich schön und ich weine vor Trauer über den menschlichen Hass. Mittags im Café lese ich die Kommentare, die Menschen im Internet über sich ergehen lassen müssen: eine Journalistin, die eine Morddrohung erhält; Hetze gegen Bloggerinnen wegen ihrer offenen Worte gegen PEGIDA; Musiker, die für ihre Musik widerwärtigste Häme ernten. Die Aufzählung ließe sich beliebig fortsetzen, sie erfolgt in den unterschiedlichsten Kontexten, aber sie eint eines: ein unaussprechlicher und ganz und gar unnachvollziehbarer Hass und eine abgrundtiefe Missachtung jeder menschlichen Würde. Ich sitze vor meinem Kaffee und Tränen treten mir in den Augen. Die Kellnerin tritt an den Tisch und fragt schwungvoll, ob ich noch etwas bestellen möchte. Ich drehe den Kopf und wimmel sie ab.

22.

Streit im Treppenhaus. Die balkandeutsche Nachbarin (70 Jahre Schwaben) wirft der ostdeutschen Nachbarin (20 Jahre Schwaben) vor, dass ihr Rezept mal echt nicht schwäbisch sei. Geht ja gar nicht! Seit zehn Minuten erbitterte Diskussion über Zwiebeln und Essigspritzer. Absurd. Vielleicht sollten wir mit „Stuttgart bleibt bunt“ hier im Haus beginnen.

23.

Damit hatte ich nicht gerechnet. Es ist der Vorabend des Heiligen Abends und auf dem Trottoir sitzt ein großer Plüschhase auf einem Stuhl. Der winzige Laden mit den Kleinantiquitäten und Weltkriegsdevotionalien, der immer verschlossen ist, hat geöffnet, heute, um diese Stunde. Ein Schwarzer, offenbar der Betreiber, tritt durch die Tür, mit ihm kommen die einleitenden Takte von Trios „Da da da“ aus den 80ern. Es ist ein Gefühl, als hätte dir das Universum mal geschwind das Gehirn herumgedreht, um einen Moment später wieder so zu tun, als wäre nichts geschehen.

24.

Und nun einmal „Stille Nacht“ trompeten auf der Karlshöhe. Die Dunkelheit schützt mich vor den schiefen Tönen.

25.

Eine Stunde lang höre ich nur Vögel zwitschern. Laute, die ich so nicht erwartet habe am Morgen des 25. Dezembers. Dann ruft ein Säugling, das erste menschliche Geräusch, und das scheint dem Anlass des Tages ja durchaus gerecht zu werden.

*

Dorfbahnhof an Weihnachten: Enkel, die dem Großvater in die Arme springen, junge Paare wie frisch verliebt. Schönes Menschsein. Dann Stille.

*

Schneefall! Und plötzlich ist man beinahe wieder Kind. Wenigstens ein paar Augenblicke lang.

26.

Die Fußsohlen brennen bereits vor Kälte, als der Fuß die Dicke des Eises testet und sie mühelos durchbricht. Drei Holzstiegen hinab, die Hand bricht die Ränder der Schollen weiter ab, dann taucht der erhitzte Körper ins schwarze Wasser ein. Weiße Flocken wirbeln über dem Teich. Ein paar Augenblicke später ist der Schmerz bereits Lebenslust und die nächsten steigen ins Loch.

27.

Winter_Raunacht_Allgäu

In den Raunächten

 

Ein Weihnachtszyklus – (nicht ganz) frei von Religion (7)

27. Abschied – Leben und Sterben heute

Die Feiertage sind vorüber. Ade, Weihnachten, es heißt Abschied nehmen, bis zum nächsten Jahr.

Und schon, kaum ist der fromme Gruß ausgesprochen, die Feierzeit entlassen, laufen die Katastrophenmeldungen ein. Der Großvater, Vater der Mutter dieses Mal, ist niedergestürzt und nun im Krankenhaus. Als hätte er sich eben noch durchs Weihnachtsfest schleppen wollen, geschafft und jetzt – gleichfalls Abschied nehmen. Wird es für ihn ein nächstes Jahr geben? Wasser in der Lunge, Schwäche, allgemeine Kraftlosigkeit werden erst einmal diagnostiziert. Doch halt, da wird noch ein Milzriss entdeckt, Unmengen von Blut in der Bauchhöhle, Notoperation, man hätte den Befund keine Stunde später stellen dürfen. Gerettet? Keinesweg; aus der Narkose wird ein Koma.

War es das?

Und haben wir da nicht noch einen Abschied? Die liebe Verwandte hat sich vor den Feiertagen von ihrem Freund getrennt und er taumelt nun im Trennungsschmerz durch die Tage und Nächte. So ist das für manche: Da offenbart man sich als Einzelgänger einem Menschen, vertraut ihm – und nur ihm – alles an, macht diesen Menschen zum besten Freund und zur Geliebten zugleich und dann so was. Die Nabelschnur gekappt, der Astronaut treibt plötzlich allein durch ein leeres, kaltes, dunkles Universum. Wieso den Abschied nicht gleich perfekt machen und sich in den Tod stürzen? Zwei Tage und Nächte also stützen ihn seine Verflossene und ihr Bruder, Betreuung rund um die Uhr, bis es ihnen langt: Genug ist genug, wenn du nicht leben willst, wird’s zu einem klinischen Fall. Und da haben wir also schon wieder das Krankenhaus und die Drohung von Tod.

Abschied, Abschied, Abschied.Die Erde dreht sich weiter. Und wir schweben immer noch in unseren Anzügen durch das All.

Ein Weihnachtszyklus – (nicht ganz) frei von Religion (6)

26. Großvater und Enkel – ein Gespräch

Verwandtschaftstreffen sind ja so eine Sache: Sie bieten je nach Familienverhältnisse alles zwischen Himmel und Hölle. Stellen wir uns nun einfach einen Fall vor, in dem man sich in Solidarität mit einem Verwandtschaftszweig übt, weil es die Tradition erfordert, nicht, weil das Herz ruft. Steckt man einmal mitten drin, spürt man doch, dass ein wenig Zuneigung da ist und sei es nur aus der Gewohnheit früherer Tage. Am interessantesten – so spinnen wir unser Gedankenspiel einfach mal weiter – ist der Großvater, Vater des Vaters. Bedauerlicherweise ist er zugleich der Zurückhaltendste: Er hat es schon seit langem gelernt, sich in sich zurückzuziehen, in seine eigene, wissensreiche Innenwelt. Ein Kriegsinvalide, nur kurzfristig arbeitstätig, einäugig und seit dem Alter nicht mehr allzuweit vom Blindsein entfernt. Und weiter: Eine Ehefrau, bestimmend, überstimmend, zu oft klagend – „aber man kann ja nichts machen.“

Stellen wir uns weiter drei Enkel, Söhne eines Vaters, vor, die um diesen Mann herum sitzen und ihn irgendwann zu seinen Kriegserfahrungen befragen. Es ist ein unweigerliches Thema, mehr von der Seite der Enkelgeneration aus, aber sie greift nur etwas auf, was unausgesprochen im Raum steht. Es ist soviel Schreckensfaszination an dem Erlebnis „Krieg“, dass es auch jetzt nach über einem halben Jahrhundert für den Betroffenen noch immer ein Thema ist. Erfahrungen, die das ganze Leben prägen und immer wieder nagen, immer wieder die Bearbeitung suchen, Seelenarbeit verlangen. Und für die Spätgeborenen: Eine Möglichkeit, etwas Fremdem und so ungeheuer Gewaltigem wenigstens in den Erzählungen eines Zeitzeugen nachzuspüren. Dabei drängt der Großvater dieses Thema nicht auf; wie gesagt, oft suchen die Enkel es. Bösartige Zungen könnten sagen, der Krieg wird nur ins Spiel gebracht, um Gesprächsstoff zu finden; ein Thema, zu dem es immer etwas zu sagen gibt und man bequem eine gemeinsame Kommunikationsebene findet. Doch das wäre verfehlt, es ist mehr: ein Bedürfnis auf beiden Seiten.

Es fängt harmlos an. Dänemark als Annäherung an das Thema, Stationierung vor dem ernsthaften Kriegseinsatz. Es ist so etwas wie die heile Zeit des Großvaters in dem Mahlstrom des Krieges. Seine Erinnerungen an diese kurze Zeit sind nur gut und es gehört zu den wenigen wirklichen Wünschen, die er noch für sein Leben hat, nach Dänemark zu reisen, als Tourist, als braver Reisender, Jahrzehnte nach der deutschen Besetzung. Und unvorstellbar eigentlich, dass dieser Wunsch nicht erfüllt wird. Allein zu reisen ist nicht mehr möglich und die Großmutter sperrt sich, schiebt scheinbar vernünftige Bedenken vor. Zu alt, zu weit, zu schwierig, ach könnte man noch, aber wir sind dann doch besser vernünftig und bleiben zu Haus. Bis es eben wirklich zu spät wurde für solch eine Reise.

Nach Dänemark kommt dann Frankreich. Manchmal zumindest. Frankreich – das ist offener Krieg. Selbst hier ist noch Raum, ‚Lebensraum‘ gewissermaßen, für eine Anekdote, wie den französischen Wein, der den Großvater den Abzug verschlafen und der Truppe katerköpfig hinterhereilen ließ. Doch Frankreich ist auch mehr: die Front, der Kampfeinsatz, die Verwundung. Eigentlich alles, nur nicht Ostfront. Davor blieb der Großvater verschont. Wer aus dieser Verwandtschaft an die Ostfront gekommen war, kehrte nicht zurück.

Enkel #2: Du Opa, wie war das eigentlich mit deiner Verwundung?

Großvater: In den Vogesen war das gewesen, im Herbst, als ich das erste Mal wirklich an der Front war.

Enkel #1: Wie ist das eigentlich mit der Angst dort an der Front? Verliert die sich bald, weil so sie alltäglich geworden ist?

Großvater: Ja, die Angst … (Zögern) Die fängt an, wenn man das erste Mal die Artillerie hört. Das ist ein sehr unangenehmes Gefühl, das sag ich euch.

Enkel #3: Wie hört sich das denn an?

Großvater: Zuerst ist es nicht mehr als ferner Donner. Da fängt es an, im Bauch mulmig zu werden. Und dann hört man irgendwann das Pfeifen, das immer lauter wird, bis es über dir ist.

Enkel #3: Dann ist es wohl am gefährlichsten …

Großvater: Nein, nein! Solange du die Geschosse noch hörst, ist alles in Ordnung. Dann fliegen sie nämlich über dich drüber. Wenn es dich dagegen erwischt, hörst du kein Pfeifen und nichts – dann ist es einfach da und aus.

Enkel #2: Und so eine Granate hat auch dich erwischt?

Großvater: Ja, aber ich hab‘ ja noch Glück gehabt.

Enkel #1: Wann war denn deine Verwundung?

Großvater: 17.11.44, am Morgen. (Ein Glasauge starrt ins Leere, die Hände zittern.)

Enkel #1: Was war euer Auftrag gewesen?

Großvater: Ein Stellungswechsel.

Enkel #2: Und wie lief das ab? Seid ihr da in der Gruppe losmarschiert? In Formation?

Großvater: Nein, man ist eben los. Wir sind zu zweit gegangen mit dem Funkgerät und dann war es halt plötzlich passiert. Der andere ist heil davon gekommen, aber ich lag am Boden. Und dann erinnere ich mich nur noch an das Gesicht meines Kameraden, wie er entsetzt auf mich herabschaut und dann davonläuft. Soldaten aus einem anderen Zug haben mich dann aufgesammelt und ins Krankenlager gebracht.

Enkel #3: Hast du Morphium bekommen oder so?

Großvater: Ach von wegen, nichts!

Enkel #2: Aber man sieht doch immer, wie die Verwundeten gleich eine Morphiumspritze bekommen, in den amerikanischen Filmen sieht man das.

Großvater: Ja, die Amerikaner vielleicht … Wäre ich von den Amerikanern gefangen genommen worden, wäre ich medizinisch wahrscheinlich besser versorgt worden.

Enkel #2: Ja, haben die Gefangene denn so gründlich versorgt?

Großvater: Ja sicher! Bei uns war da nicht mehr viel zu machen, nicht mehr zu dieser Zeit. Ins Sterbezelt hatte man mich gelegt, das war alles. Und dann bin ich halt doch noch wieder aufgewacht. Die einzigen, die es etwas besser hatten, waren die von der SS. Die bekam immer das Beste. Wenn ich euch so ansehe – ihr wärt, wären die Zustände immer noch so, bei der SS. Alle drei. (Gerunzelte Stirn, ein seltsames Gefühl im Bauch, im Brustkorb. Kurze Blicke, verwirrt, zeigen, dass alle Enkel das gleiche denken: Wie war das denn bitte gemeint?) Ich war damals zu klein geraten dafür. Gott sei Dank.

Ein Weihnachtszyklus – (nicht ganz) frei von Religion (5)

25. Solsfest

Weihnachten ist ein heidnisches Fest. Unser christliches Fest ist eingehüllt in ein Bett nichtchristlicher Religionen und wenn man dieses Schicht um Schicht ablöst, bleibt am Ende  fast nichts.

Die Weihnachtsgeschichte der Evangelien, das wundert nur noch wenige, ist dem Neuen Testament spät hinzugefügt. Die drei Weisen aus dem Morgenland sind natürlich nichts anderes als persische Magier. Aber wie kommen diese in die christliche  Weihnachtsgeschichte? Folgen wir den Spuren der persischen Priester zurück in ihre Heimat und wir werden den Ursprung dieser evangelischen Tradition dort finden. Die iranischen Religionen, namentlich der Zoroastrismus und der Mithrakult, haben das Christentum  maßgeblich beeinflusst. Wo haben wir zuerst die Apokalypse, das Weltengericht am Jüngsten Tag mit der Wiederauferstehung der Toten und der Scheidung der Seelen in  Sünder und Rechtschaffene, in Höllensturz und Eingang ins Paradies? Aus der iranischen Geisteswelt kommt es und Eingang fand es in die Bibel über das babylonische Exil der Juden und ihre Freilassung und Förderung durch die neuen Eroberer Babylons und des ganzen Nahen Ostens: den Persern.

Dabei bleibt es nicht. Die Magier, also die Mitglieder einer iranischen Priesterkaste, trafen sich jährlich auf einem Berggipfel, um Ausschau zu halten nach dem Stern, der die Geburt des Erlösers, des Weltenheilands ankündigt. Ja, hier haben wir ihn, den Stern von Bethlehem und die Inkarnation des Messias.

Als sich das noch recht junge Christentum daran machte, Fuß zu fassen in den Provinzen des Römischen Reiches, war es nicht frei von Konkurrenz. Mit ihm waren andere Erlösungsreligionen aus dem Osten über die Mittelmeerwelt gekommen. Strahlende Gottheiten, die ihren Anhängern ein besseres Leben nach dem Tode versprachen, eine Existenz im Lichtglanz statt seufzendes Verblassen in den schattigen Regionen der antiken Unterwelt. Einer der schärfsten, weil erfolgversprechendsten Konkurrenten des Christentums war der sonnenschimmernde Mithras, ein Abkömmling des iranischen Heilands Mithra. Ein anderer war ein syrischer Sonnengott, der als SolInvictus, der unbesiegte Sonnengott, zum Übergott über alle Kulte und Gottheiten des Römischen Reiches erhoben werden sollte, aber wegen seiner Radikalität und Fremdartigkeit an der römischen Widerspenstigkeit scheiterte. Doch er war nicht tot. Man holte den unbesiegten Sonnengott wieder an den Himmel empor, verband ihn mit anderen Sonnenkulten, identifzierte ihn mit Mithras, gab ihm mit der Neuplatonischen Schule philosophische Tiefe, machte ihn zum allumfassenden Hochgott, der alle anderen Gottheiten in sich barg und doch nicht den letzten Schritt zur ungnädigen Intoleranz des allein und einzigen Christengottes machte und stützte Reich und Herrschaft des Imperium Romanum auf diesen Sol Invictus. Der Sonnengott lag gut im Rennen; letztlich setzte sich dann doch das Christentum durch. Wie stark die Konkurrenz aber war, zeigt, dass das christliche Weihnachtsfest flugs verlagert wurde auf den 25. Dezember – den reichsweit populären Feiertag des Sol Invictus –, und christliche Denker in ihren Streitschriften verkündeten: „Christus verus sol“ – Christus ist der wahre Sonnengott.

Ja, wir feiern ein Sonnenfest an den Weihnachtstagen.

Ein Weihnachtszyklus – (nicht ganz) frei von Religion (4)

24. Der Tag der Soledad

Einen Sack Reis gibt es unter anderem, ganze 25 Kilogramm Reis. Was für eine Pracht! Was als Witz über glückliche einstige Inkarnationen als Aufseher von Getreidespeichern begonnen hatte, endete in diesem leibhaftigen Sack Reiskörner. Vollgefressen, gemästet ergötze ich mich an dem Anblick, kann mich immer noch an dem Bild von Essen erfreuen, obwohl ich mich jetzt schon selbst schlachtreif fühle. Irgendwann wird das Essen zum Selbstläufer, zum sinnentleerten Automatismus, der einen durch die Feiertage steuert und jegliche Anflüge von Selbstzweifel oder Unruhe unterdrückt. Ja, das Fressen, das ist wie Computerspielen oder Wichsen aus Langeweile. Wie aber soll man sich in der Weihnachtszeit diesem Strom an Leckereien auch erwehren? Jede Verteidigungsstrategie scheitert gegen dieses Große Fressen. Da bleibt, wie ein Schulfreund an diesem Tag noch sagen wird, nur noch der Weg in die Bulimie.

Der Abend findet mich in einer Kneipe wieder. Viele Gesichter, die man vielleicht schon ein Jahr lang nicht mehr gesehen hat. Es ist berauschend. Jeder freut sich selbst über bloße Bekannte aus früheren Zeiten. Ein vergessen geglaubtes Gefühl kommt auf und wir schwingen alle in Glückseligkeit. Was ist es, was uns in schiere Euphorie versetzt? Sind es wirklich all diese Menschen? Der gemeinsame Background, das ist es, was uns zusammenschmiedet und glücklich macht, erklärt mir ein Freund, Mensch Nummer 500, mit dem ich an dem heutigen Abend Worte wechsel. Wir sitzen an der Theke und dann beginnt er vom „Fest der Liebe“ zu sprechen. Da sitzen wir also, ohne Frauen, und es soll das Fest der Liebe sein. Sie blickt mich an – könnte es doch heißen, aber nein: Es ist der Tag der Soledad. Eine Parabel wird nachgeliefert. „Ich erzähle euch eine Geschichte“, beginnt mein Freund neben mir an der Theke. „Stellt euch eine hohe Mauer vor, einen Hof dahinter und darin die Frauen, auf die wir unser Leben lang gewartet haben, von Aliens dorthin entführt. Und ich sage euch, Brasilien ist auf dieser Welt der Ort, der diesem Platz am nächsten kommt.“ Ja, Brasilien, schön und gut, denke ich, aber wir sitzen hier in Deutschland.

Irgendwann wird es schließlich zu viel: zu viele Sinnesreize, zu viele Menschen, zu viele Freunde sogar, man ist gesättigt. Ein Schiffbrüchiger in einem Meer aus Leibern, Wellen aus Lärm schlagen über dem Kopf zusammen, man ertrinkt fast, Atemnot stellt sich ein in den Nebelschwaden aus Rauch, die über diesen Wassern hängen und die Sicht verhüllen; ein gespenstischer, hoffnungsloser Ozean. Auf einmal ist man einsam. Einsam in der Menge und es bleibt nur die Flucht hinaus in die Nacht, in die kühle, leere Nacht. Der neblige Burgberg ragt empor und die Füße nehmen die niedrigen Stufen hoch, weg von den Menschen, hinauf, hinaus aus dem Meer der Geselligkeit. Der Blick fällt zwischen feuchten Buchen hinab auf den Friedhof. Rote Kerzen brennen auf den Gräbern und ich erinnere mich, dass ich in all den Jahren seit seinem Selbstmord immer noch nicht an P.s Grab dort unten gewesen bin.

Ein Weihnachtszyklus – (nicht ganz) frei von Religion (3)

23. Mulholland Drive, das erste Mal

„Und, was meinst du?“

„Ein guter Film, ohne Frage. Ich bin mir nur nicht sicher, ob er wirklich einen Sinn hat. Eine Logik.“

„Hat er, da bin ich mir sicher!“

„Man wird den Film wohl mehrmals sehen müssen. Wahrscheinlich wird dann manches klarer.“

„Auf jeden Fall! Da gibt es ganz bestimmt einiges noch zu entdecken. Ist dir etwa aufgefallen, dass ein paar Personen mehrmals vorkommen, ich meine, in unterschiedlichen Rollen, immer etwas anders aussehend, aber doch dieselben? Das naive Mädchen etwa, Diane, das dann heruntergekommen mit dem Killer herumläuft?“

„Ach ja, natürlich! Ja, das wird mir jetzt erst klar, wo du es sagst.“

„Und an Symbolismen mangelt es ja auch nicht. Rita etwa, immer in Schwarz und Rot, dazu ihr bleiches Gesicht. Als würde sie den Tod symbolisieren oder anders gesagt, der Tod in ihr zum Vorschein kommen. Manchmal hat sie auch etwas Dämonisches. Denke an die Kameraeinstellung, ihren Blick.“

„Vieles ist mir aber einfach schleierhaft. Was etwa soll die kleine Episode mit dem Mann in dem Imbiss und dem Schwarzen Mann? Wo ist das der Zusammenhang?“

„Der Schwarze Mann … Er erschrickt den armen Burschen zu Tode. Er sieht auch erschreckend aus. Aber ist er böse?“

„Er bringt auch die blaue Schachtel ins Spiel, die …“

„Pandoras Büchse, oder?“

„Nun, es scheint, als würde sie das Böse fassen. Aber eigentlich ist es doch eher die Wahrheit, die freigelassen wird, als der Deckel gehoben wird. Der Traum zerbricht, das Gewissen meldet sich …“

„Passt, ja. So gesehen kann man den Schwarzen Mann einfach als Wächterfigur sehen, erschreckend für die Menschen, aber keineswegs böse. In den Mythen gibt es doch immer wieder solche Wächterfiguren.“

„Nochmals zum Traum zurück. Auf eine bittere Weise lustig fand ich, wie das Mädchen anfangs sagte: ‚Jetzt bin ich in dieser Traumstadt.‘ Positiv hat sie es gemeint: in dieser großartigen Stadt. Zugleich die Stadt der Träume, der Filmträume, des großen amerikanischen Traums. Es ist derTraum, der hier zerplatzt. Oder eigentlich erst geträumt wird und dann zerplatzt. Ich finde es aber gar nicht so einfach zu sagen, was davon sich nun in einen Albtraum verwandelt, der Traum oder die Realität.“

„Ja, sie gleitet ab. Erinnerst du dich, das blaue Leuchten? Als die beiden Frauen nachts noch unterwegs sind? Da kippt das Ganze. Weißt du, die Szene, wo die Kamera auf die beiden zurast. Wie ein angreifender Stier.“

„’Silencio‘, haha.“

„Auf jeden Fall wurde es da dann schwierig, noch dran zu bleiben an dem Film. Bis dahin war die Geschichte ja noch irgendwie nachvollziehbar, aber dann zerbricht alles. Und die Bilder und Symbole nehmen noch weiter zu. Würde sagen: Dominieren jetzt vor der Geschichte, während sie vorher nur ein Teil der Geschichte waren.“

„Aber ergibt wirklich alles einen Sinn: jede Einzelheit, jedes Detail? Könnte man alles deuten und in Beziehung setzen zu den anderen Elementen? Wie weit geht die Logik?“

„Gute Frage. Ich vermute, ja – es hat alles einen Sinn. Aber vielleicht ist alles auch nur ein Witz des Regisseurs.“

„Wie hieß es noch einmal? ‚Alles nur eine Illusion‘, sagte sie doch. Alles nur eine Illusion.“

Nun gut, das wird wohl der schwächste Teil dieses nicht gerade taufrischen Weihnachtszyklus gewesen sein. Vielleicht hätte ich ihn doch besser ausgetauscht durch einen kleinen Text, der in den Anfangszeiten des Blogs online gegangen war, über diese besonderen Tage vor Weihnachten, manchmal verlogen, manchmal ganz kostbar.

Ein Weihnachtszyklus – (nicht ganz) frei von Religion (2)

22. Der gewaltigste aller Filme

Die Begrüßung hatte eine gewisse Befangenheit. Wir hatten uns lange nicht gesehen und ich war das erste Mal in seiner neuen Wohnung. Sie war größer als die vorherige; noch mehr Raum, der mit Computern, CDs, Zeitschriften, Postern, Büchern und ein paar Überbleibseln aus seiner Kindheit, gleich bizarren Inseln in diesem Meer, gefüllt war.

Er freute sich und ich freute mich auch und wir lächelten ein geheimnisvolles Lächeln und sahen doch in den Augen des anderen ein wenig Verlegenheit. Wie so oft lief Filmmusik. Schwere Musik, schwer und groß wie der Mann vor mir: ein langsamer Hüne, und diese Schwere fand sich in allem – in seinen Gebärden, in diesem Zimmer, in den Farben.

Er war vom Filmgeschäft enttäuscht. Hoffnungen waren geplatzt, Verträge waren zurückgezogen, Versprechen gebrochen, Ideen für eigene Projekte abgewiesen worden. Zu originell, lautete die Begründung. Niemand wolle so etwas sehen, und folglich wollte niemand so etwas produzieren. Bloß keine Experimente auf dem deutschen Filmmarkt!

Das war vielleicht das Schlimmste: der Tod der Kreativität. Was blieb, war die Möglichkeit, die eigene Haut zu Markte zu tragen. Sich zu verkaufen, das widerstrebte ihm aber; etwas zu schaffen, an das er nicht glaubte, tat ihm weh.

Und nun sah er seine neue Hoffnung im Glauben, der zu seiner wichtigsten Stütze geworden war. Er überlegte, nochmals zu studieren, vielleicht einen internationalen Studiengang Theologie, berufsbegleitend. Und danach – womöglich Pastor?

Ich weiß nicht, was ich dazu sagen soll und höre nur zu, ich registriere, lächle vage, aber nicke nicht.

CD-Wechsel: Der Herr der Ringe 2.

„Der gewaltigste Film aller Zeiten“, sagt er. Die Musik ist dunkel und heroisch und das Ende
schwer und gewaltig, gigantisch, düster, wie schwarze Klippen der Nacht, die majestätisch
emporragen. Einsam.

Das war es: Sie drückte aus, was ich sah, was ich fühlte, als ich ihm zum Abschied die Hand reichte. Ein einsamer, großer, schwerer Mann, der da dunkel im Zimmer stand.

„Timbuktu“ − Zarte Liebeserklärung an die Menschlichkeit in Zeiten der Barbarei

Im Namen Gottes, des Erbarmers, des Barmherzigen

Die Gazelle springt über den Wüstenboden. Ihr Lauf ist entrückt, keine Tonspur begleitet die Kamera, die ganz dicht an dem Tier ist, das gelbe Land hinter dem gelben Leib verschwimmt, die Gazelle rennt mit einer ungeheuren Leichtigkeit, sie ist Schönheit und Verletzlichkeit zugleich, Ausdruck reinsten Lebens und Verkörperung des Todes, denn es ist offensichtlich: Sie flieht vor etwas. Dann bricht die fast traumartige Szene auf, Gewehrschüsse knattern, die Kamera fällt zurück, der Hintergrund wird unbarmherzig scharf, ein Geländewagen mit vermummten Bewaffneten verfolgt die Gazelle, das Banner der Islamisten − weiß auf Schwarz das islamische Glaubensbekenntnis − flattert im Wüstenwind. So eröffnet Abderrahmane Sissako seinen neuesten Film „Timbuktu“. Am Ende des Filmes werden es Menschen sein, die vor den Dschihadisten durch den Wüstensand rennen.

2012 besetzten Al-Qaida-nahe Dschihadisten die Stadt Timbuktu im westafrikanischen Mali und unterwarfen die Bevölkerung ihrem islamistischen Regime, bis sie neun Monate später von einer Allianz aus französischen und malischen Truppen aus dem Weltkulturerbe Timbuktu wieder vertrieben wurden. Regisseur Sissako, in Mauretanien geboren und in Mali aufgewachsen, war selbst Zeuge der Dschihadistenherrschaft in dieser Stadt. Diese Erfahrungen legten den Grundstein für seinen mit zahlreichen Preisen ausgestatteten Spielfilm. (Als er auf der Pressekonferenz in Cannes erzählt, wie er Augenzeuge einer Steinigung eines unverheirateten Paares wurde, bricht der Regisseur in Tränen aus.)

Wie so manchem anderen westafrikanischen Film gelingt „Timbuktu“ mit überschaubaren Mitteln eine große Kunst des Erzählens. Der Eroberungszug der Islamisten wird nicht in blutigen Kämpfen oder grausamen Exempeln ausgebreitet. Eine schlichte Szene, zu einem Sinnbild verdichtet, genügt Sissako, den Hintergrund zu umreißen. Afrikanische Figuren aus schwarzem Holz oder Keramik sind im Sand aufgereiht, die Dschihadisten feuern auf sie, reißen Löcher in die Figuren, durchbohren sie, zerschmettern sie. Der Plastik einer Frau reißt ein Geschoss erst die Hälfte des Gesichts weg, dann eine der beiden bloßen Brüste. Mit den einfachsten Mitteln ist hier schon so viel gesagt.

Während die Scharia-Polizei auf den Dächern der Stadt patrouilliert und Ausrufer über das Megaphon die Liste der Verbote immer mehr ausweiten, lebt der Nomade Kidane mit seiner Familie in Frieden. Ihr Leben ist ärmlich, die wirtschaftliche Not und die Angst vor den Islamisten ist eine stete Bedrohung, doch noch liegt die kleine Familie ausgestreckt auf den Teppichen ihres Zeltes, der Vater spielt auf seiner Gitarre den Wüstenblues, für den Mali so bekannt geworden ist, seine Frau und seine Tochter singen. Diese Musik ist ein Schlüsselelement in dem Film. „Mein Vater ist noch hier, weil er die Musik liebt“, erklärt die Tochter einem Freund. Und weil er daher nicht wie andere in den Krieg oder den Dschihadismus gezogen ist, denn der Krieg gibt die Väter nicht mehr her.

Dann zerstört ein dummer − ökonomisch zwar bedrohlicher, aber in seinen Folgen eigentlich vermeidbarer − Streit diese Insel des Friedens: Ein Flussfischer tötet Kidanes Kuh mit dem wunderbaren Namen GPS, weil sie seine Netze zerreißt (bestechend, wie Sissako mit ganz leichter Hand hier eine spannungsreiche Grundkonstante des Landes Mali porträtiert: hier mit dem dunklen Fischer die sesshafte, schwarzafrikanische Bevölkerung, dort mit dem Tuareg Kidane das nomadische, berberische Element), es kommt zu einem Handgemenge, eher aus Versehen fällt ein Schuss und der Fischer ist tot. Auf diese Tat steht (ein Blutgeld kann Kidane nicht aufbringen) in dem Gottesstaat das Todesurteil. Und so reißt das Regime der Dschihadisten auch die kleine Nomadenfamilie ins Verderben − vor den Auswirkungen des Islamismus ist eben niemand sicher.

Sissako erzählt mit leichter und ruhiger Hand, die Handlung reduziert sich auf ein beinahe meditatives Tempo, der Gestus ist bedächtig und neigt − ungeachtet einzelner starker Aufnahmen von Landschaft und Raum − zu Bescheidenheit. Dabei ist der Film keinesfalls einschläfernd, sondern erweist sich als Kino von bezwingender Größe. Ein Glanzpunkt ist das Fußballspiel mit einem imaginären Ball, weil die Islamisten in ihre lange Liste der Verbote auch das Kicken aufgenommen haben. Wie die Jugendlichen auf einem staubigen Feld diesem unsichtbaren Fußball hinterherjagen, ist eine Szenerie von unglaublicher Poesie.

Und dann die Komik, etwa in der Darstellung der Kommunikationsschwierigkeiten unter den zusammengewürfelten Dschihadisten. (Im Film werden mindestens Tamascheq, Arabisch, Bambara, Französisch und Englisch gesprochen.) Eine Patrouille findet den toten Fischer, einer der (einheimischen) Dschihadisten ruft übers Handy den arabischen (also ausländischen) Anführer an. „Was? Was sagst du? Dein Arabisch ist wirklich furchtbar schlecht“, beschwert sich der Anführer übers Telefon. „Sprich Englisch mit mir!“, fordert er den Mann auf. Doch auch dessen Englisch versteht er nicht. Entnervt gibt er auf. „Lass es, ich rufe zurück.“

Gegen die buchstabenhörige, bizarre Lebensfeindlichkeit der islamistischen Doktrin setzt Sissako eine feine Menschlichkeit, Mitgefühl, Musik. Es mögen schwache Mittel gegen den reduzierten Kodex eines verblendeten Männer- und Kriegerbundes sein, gegen den selbst der einheimische Imam mit klugen Argumenten, tiefer Frömmigkeit und empathischer Menschenliebe auf Dauer nichts ausrichten kann. Bezeichnend ist aber dabei, dass Sissako die Dschihadisten trotz ihrer klaren lebensfeindlichen Positionierung als Individuen überraschend menschlich zeigt. Es sind nicht die Wüteriche, die wir aus der medialen Wiedergabe ihrer barbarischen, blutbesudelten Taten kennen. Da ist zum Beispiel der ehemalige Timbuktu-Rapper, der voller Zweifel in die Kamera der Ideologen blickt. Da ist der arabische Dschihadist, der sich zum Rauchen regelmäßig hinter die Dünen verdrückt (natürlich sind auch Zigaretten verboten). Da ist der Gotteskrieger, der dem Blick des Verurteilten nicht standhalten kann, weil er mit ihm fühlt und auf die Frage, was er mit diesen Leuten zu suchen habe, nichts zu antworten weiß als ein verlorenes „das ist eine lange Geschichte, die uns verbindet“. Selbst ihr Anführer ist nicht mehr als ein Bürokrat, der durchaus zu Mitgefühl mit dem Verurteilten imstande ist. Und dann ist da noch ein Dschihadist, der sich, versteckt in einem Hof, in den Sand niederbeugt, als würde er zum Gebet knieen wollen, und dann unerwartet einen heimlichen Balletttanz aufführt, voller Hingabe und ganz und gar bei sich und dabei zum Schönsten wird, was ein Mensch sein kann (und zerrissen und tragisch zugleich).

Dass Sissako die einzelnen Menschen hinter der Fratze des Dschihadismus so menschlich zeigt, erscheint uns vor den Taten des IS, der Taliban, der Boko Haram zumindest als irritierend, wenn nicht sogar als eine Schwäche des Films. Womöglich zeigt sich Sissako aber im Gegenteil hier ganz besonders groß. Selbst wer Böses tut, mag es vielleicht in Zweifel tun, so sein Credo. Und das ist es ja, was „Timbuktu“ vor allem anderen auszeichnet: eine zarte, große, wunderschöne Liebeserklärung an die Menschlichkeit in Zeiten der Barbarei.

„Timbuktu“. Regie: Abderrahmane Sissako. Mit Ibrahim Ahmed, Abel Jafri, Toulou Kiki, Layla Walet Mohamed. 100 min. Deutscher Kinostart: 11.12.2014.

(Link führt zum Trailer − unbedingt ansehen!)

Ein Weihnachtszyklus – (nicht ganz) frei von Religion (1)

21. „Lauter Idioten“ – Monolog eines Buchhändlers

„Jetzt kommen sie alle angerannt, zu Weihnachten, und wollen ihre Bücher. Kommen in den Laden gestürmt und haben von nichts eine Ahnung, aber glauben, sie müssten nun ein Buch kaufen und verschenken. Menschen, die sonst nie im Jahr eines in die Hand nehmen. Diese Idioten! Ja sicher, was glauben Sie denn! Nein, ein Philanthrop bin ich wirklich nicht. Als Schreiberling darf man aber auch gar kein positives Bild vom Menschen haben. Man braucht ja schließlich etwas, um sich daran zu reiben. Was will man denn sonst schreiben? Nein, nein, so ein heiterer, gelassener Mensch bin ich nicht. Sonst wäre ich etwas anderes geworden. Aber gut, solche Menschen braucht es wohl auch, da sage ich ja gar nichts. So einer mit einem unerschütterlichem Gemüt und einer Eselsgeduld, wissen Sie, so einer, der durch nichts aus der Ruhe zu bringen ist und glaubt, dass der Mensch ein edles Wesen sei. Es gibt ja Menschen, die das ausstrahlen, so eine vollkommene Ruhe; die arbeiten dann bei der Diakonie oder so. Die glauben auch an den guten Menschen. Ja, doch! Es gibt doch tatsächlich so Wahnsinnige, die den Menschen für eine gelungene Schöpfung Gottes halten.“

Anmerkung: Der Weihnachtszyklus in sechs Tagen stammt aus dem Anfang des Jahrtausends. In den Jahren seither wurde er ein oder zweimal Freunden vorgelesen, sonst passierte aus guten Gründen nichts damit. Angeregt von einigen kreativen Blogadventskalendern hole ich ihn nun doch aus der Schublade. Morgen, zum zweiten offenen (Vor-)Weihnachtsabend bei Zeilentiger, wird er gelesen – zusammen mit einer Geschichte von Ray Bradbury. Gestern gab es dort Charles Dickens mit dem ersten Teil seines wunderbaren „Christmas Carol“ sowie etwas zu Weihnachten in Damaskus.

Heißhungertheke

„Sehen Sie das Schild über der Theke? Heiß-‚Hunger‘-Theke? Das ist von mir. Denn lange hieß es Heißtheke und ich fragte immer wieder mal, ob sie nicht eine Heißhungertheke daraus machen wollten. Ich hatte eigentlich gar nicht damit gerechnet, dass sie es wirklich umsetzen würden. So freut es mich aber. Nicht, dass ich es jetzt eigentlich noch beachten würde, und es wissen auch nicht viele davon – Sie sind, von zwei, drei Freunden abgesehen, der einzige, dem ich das aus Jux erzählt habe. Diese anonyme Verewigung, von der Heinrich Heine gesprochen hat, das ist doch das höchste Ziel, das wir anstreben können. Mehr kann ich nicht erwarten, literarisch zumindest nicht. Sofern man hier von literarisch sprechen kann.“