„Mit welchem Stück wollen wir beginnen, Maestro?“ – „Was? Vergiss es. Wir fangen einfach an zu spielen und schauen, wo es uns hinführt.“
Das kennzeichnet, in freien Worten nacherzählt, das musikalische Anliegen des Jazz-Saxophonisten Wayne Shorter: ein immer wieder neuer Aufbruch ins Unbekannte, ein gemeinsames Sicheinlassen auf das Wagnis kreativer Schöpfung. Musizieren, das erfordert Mut und es erfordert Bescheidenheit, so der praktizierende Buddhist Wayne Shorter, der auch in seinem 80. Lebensjahr noch auf der Bühne steht. In den ausgehenden 50er-Jahren bekannt geworden, spielte Shorter später mit Miles Davis und gründete 1971 die epochale Fusion-Band Weather Report. Nach einigen Solojahren erreichte der Musiker mit seinem Wayne Shorter Quartet schließlich einen neuen musikalischen Höhepunkt – und reist mit seinen Mitstreitern weiterhin unerschrocken ins Unbekannte. Der Dokumentarfilm „The Language of the Unknown. Jazzlegende Wayne Shorter“ begleitet diese Reise ein Stück weit und wurde am Sonntag in Ludwigsburg uraufgeführt.
Entstanden war die Idee zum Film im Büro von Thomas Schadt an der Filmakademie Baden-Württemberg. Für einen Dokumentarfilm über Joe Zawinul (mit Wayne Shorter Gründer von Weather Report) waren bereits Gelder eingeworben worden, doch der Musiker starb, bevor das Filmprojekt umgesetzt werden konnte. „Dann machen wir es mit Wayne Shorter also anders!“ Der Regisseur Guido Lukoschek sprang für das Projekt ein und realisierte den Einstünder.
Bei der Sonntagsmatinee von avindependents war der Saal des Kinos Caligari praktisch voll besetzt, was zwar nicht erstaunlich war angesichts des Anlasses, schon eher aber mit Blick auf die recht sparsamen, ‚esoterischen’ Werbemaßnahmen zur Aufführung. Bereits zu den Eröffnungs- und Dankesreden – anschaulich erzählte der Regisseur, wie er während des „Boston Manhunts“ auf Wayne Shorters Bettkante saß und angespannt das Urteil der Jazzgröße zum Rohschnitt des Films erwartete – lastete an dem feuchten Sommermorgen die Luft schwer im Saal.
Als Herzstück seiner Annäherung an Wayne Shorter wählte Lukoschek eine Begegnung des Quartets mit den Aufnahmen ihres Konzerts vom 3. November 2012 im Pariser Salle Playel. Aus den Überlegungen und Gesprächen von Wayne Shorter, dem Pianisten Danilo Perez, John Patitucci (Bass) und Brian Blade (Schlagzeug) ergeben sich intime (und oft genug heitere) Einblicke in das musikalische Schaffen des Quartets. Und „Zero Gravity“, die Chiffre Wayne Shorters für die Bereitschaft zu immer neuen musikalischen Erkundungsreisen, für das unvoreingenommene Aufstoßen der Tür zum Leben und das Schweben der Musiker während ihres Zusammenspiels, befreite die Zuschauer bald von den schweren Ketten der Schwüle.
Der Applaus, den das Filmteam, die Hemdrücken nassgeschwitzt, entgegennahm, kam jedenfalls von Herzen. Und im Anschluss an die Vorführung konnte man zu einem reichhaltigen Frühschoppen mit Weißwurst, Radi und Obatzter und Livemusik in der Filmgalerie die „Zero Gravity“ noch ein wenig nachwirken lassen.
Am 25.8. wird Arte die Doku anlässlich des 80. Geburtstags von Wayne Shorter erstmals im Fernsehen ausstrahlen.
The Language of the Unknown – A film about Wayne Shorter. Eine AVINDEPENDENTS PRODUKTION in Koproduktion mit SWR/ARTE und Kooperation der FILMAKADEMIE BADEN-WÜRTTEMBERG gefördert mit Mitteln der Film- und Mediengesellschaft (MFG).
Dokumentarfilm, 56 min, Deutschland 2013, Stereo, 16:9 / HD, OmdU. Mit Wayne Shorter, Herbie Hancock, John Patitucci, Brian Blade, Danilo Perez, Carolina Shorter. Buch und Regie: Guido Lukoschek.