Einen Tag vor der Eröffnung der Fußball-WM tritt Netzer für ein Warm-up auf die Bühne. In der Kiste, Stuttgarts kleinstem Jazzclub mit fast täglicher Livemusik, prangt der allbekannte markante Scheitel an der Rückwand. Irgendwann nach 21 Uhr lösen sich drei Männer aus den Unterhaltungen vor der Kneipe, stellen Biergläser ab, drücken Kippen aus, stecken eine elektrische Zigarette weg und entern die Bühne: Das Stuttgarter Instrumentaltrio Netzer eröffnet den Abend mit einer Elektro-Jazz-Version von „Walking on the Moon“. Und hat den Mond bald hinter sich gelassen.
Denn die Schaltzentrale Oli Rubow, im Hattler-T-Shirt und nicht nur der dunklen, in die Stirn hängenden Haaren und der großen schwarzen Brille wegen eine Art Woody Allen der Percussion, eröffnet mit seinem gar nicht großen Schlagzeug ungeahnte Räume. Er wirft sich mit neurotisch suchenden, fast schon spastischen Angriffen gegen die Grenzen von Raum und Zeit, schiebt sie weit hinaus und erweist sich als ein irrwitzig guter Spieleröffner.
Markus Bodenseh reiht sich mit Bass und minimalistischem Moog-Synthesizer in den Rhythmus ein, eine gut gelaunte Kante in temperaturgerechten Shorts und Zehensandalen, und mischt – vom Trio vielleicht am wenigsten innovativ – der musikalischen Sprache animalisches Blut, die schwere Süße des Weines bei.
Und diesen weiten Raum nutzt Fanta-4-Gitarrist Markus Birkle, hager, uneitel und in Soccer-T-Shirt, für sein Gitarrenspiel, fängt die Stimmung auf und gestaltet sie neu, zieht wie ein von John Scofield geborener Adler hoch am Himmel seine Loops, scharfkrallig, aufmerksam und berauscht von Höhenluft.
Netzer sieht sich programmatisch als DJ. So fließt ein Song in den anderen, ohne Unterbrechungen, ohne Ansagen. Und als das Trio seinen musikalischen Parforceritt doch zu einem Abschluss gebracht hat, gesteht Bodenseh (nach einem Applaus so lang, wie ihn die Kiste nicht jeden Abend erlebt), wie es jetzt weitergeht, sei noch nicht ganz klar. Kein Problem, der Namensgeber hat es schließlich vorgemacht und Netzer wechselt sich selbst ein zur zweiten Spielzeit.
Und am Ende haben alle gewonnen.
Klingt, als hätte ich was versäumt … 🙂
Ich würde sagen ja. 🙂
Wußt‘ ich’s doch …!! 😀
Klingt, als hätten wir alle was versäumt. Funky bis hypnotisch. Famos, Herr Zeilentiger, wirklich famos.
Das, liebe Frau Knobloch, gebe ich hiermit den Musikern weiter! Der Musik und dem Sommerabend.
Klingt als hätte(n) … ja, ich auch … Jazz – ja, gerne! Und Fanta4-Gitarrist ist ja auch eine Empfehlung an sich!
Ich muss gestehen, ich hatte ihn vorher noch nie live erlebt. Das war nun höchste Zeit!
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