Ein Wintermorgen, werktags, eben hell. Hangabwärts steht das Müllauto, den Blinker gesetzt, direkt in der Kurve aber parkt ein PKW und nichts geht weiter. Jemand hupt, keiner rührt sich. Der Fahrer drückt nochmals die Hupe und immer wieder, bis der junge Chef des Vicino − schwarzer Bart, schulterlange Locken, große Brille − vor die Tür tritt und mit seinem leichten Singsang ausruft: „Nur weil ich das Café hier betreibe, heißt das nicht, dass ich weiß, wem das Auto vor meiner Tür gehört.“ − „Nein, ich weiß es einfach nicht, was soll ich machen.“ − „Müsst ihr euch irgendwie einen Weg suchen, ist halt der Stuttgarter Westen.“ Kopfschüttelnd kehrt er in das Eckcafé zurück. „Prego“, lenkt sein Teilhaber ab und stellt einen Cappuccino und ein gefülltes Croissant (Aprikose, Schoko, Vanille und Schinken-Käse stehen zur Auswahl) ab. Das Müllauto schafft es dann doch noch um die Kurve.
Ein halbes Jahr früher, Samstagnachmittag, auf mit Kissen bedeckten Holzwürfeln sitzen die Gäste vor der Bar und trinken Cortado aus (ungewöhnlichen) eleganten hohen Gläsern. Jüngere Männer mit Sonnenbrille und Hut begrüßen sich mit klatschendem Handschlag und „Alles fit?“. Auf der anderen Straßenseite lockt ein Lifestyle-Zitat der Autorin Rosalie Tavernier an der Glasfront eines Friseursalons. Die Straße selbst ist ruhig. Eine Bekannte kommt zufällig vorbei, sie wohnt gleich ums Eck, erzählt sie. „Die beiden Jungs sind eine echt lustige, nette Truppe“, versichert sie.
Alexandros Cardinale und Massimo Anedda führen die Bar in der Nähe des Hölderlinplatzes im Stuttgarter Westen. Um 7 Uhr tanken Frühaufsteher hier ihren Espresso im Stehen, auch werktagvormittags ist das Vicino gut besucht, es gibt einen Mittagstisch, um 18 Uhr schließt es seine Pforte: eine „Tagesbar“ ohne Alkohol, rote Backsteinmauern im Inneren, die Einrichtung einen Ticken zu kühl, die Stimmung entspannt, die Bedienung aufmerksam und herzlich. Eine Uhr sucht man übrigens vergeblich an den Wänden. Im Vicino ist Entschleunigung angesagt.
Das nächste Mal aber ein Panino, denke ich mir. Und beiße wieder einmal in ein Aprikosencroissant.
Bar Vicino: Traubenstraße 45 − 70176 Stuttgart
(Haltestelle Hölderlinplatz)
Öffnungszeiten: Mo.−Fr. 7.00−18.00 Uhr, Sa. 9.00−16.00 Uhr
Mmmh, werde von Aprikosencroissants zum Frühstück träumen *-*
Und hat es geklappt mit dem schönen Traum? Ich hatte, wohl aus Mitgefühl mit einer jungen Cousine, die gerade in den Prüfungen steckt, vom Abitur geträumt. Da wären Aprikosencroissants doch die angenehmere Wahl gewesen. 😉
Nicht so richtig, leider. Immerhin träumte mir von einem Café, aber Aprikosencroissants gab’s leider keine ; )
Immerhin Café, damit ist schon viel gewonnen!
Klingt sehr gut, und für Aprikosencroissants und Entschleunigung bin ich auch immer zu haben…
Entschleunigung und Leckereien geht bei Bukafski sicherlich auch ganz hervorragend, nehme ich an? 🙂
Hallo Holger, das ist das erste Cafe, das ich bereits vor dir kannte. Seit dem Umbau ist es noch schöner. Leider haben sie keine Soja Milch… Liebe Grüße aus Feuerbach!
Liebe Seestern, es ist wahrscheinlich auch das in Luftlinie bisher nächstgelegene von Feuerbach aus, nehme ich an. 😉 Wann wurde das Vicino denn umgebaut? Ich habe es erst letztes Jahr kennengelernt. Und ja, deine Anregung zu Sojamilch sollten sie aufnehmen – für Allergiker und Veganer ja ein wichtiger Punkt.
Herzliche Grüße aus dem Süden
Guten Abend, ich habe eine Freundin, die ganz in der Nähe wohnt und durch sie habe ich das Cafe kennen gelernt. Früher war es kleiner.
Ah, danke! Das muss dann sicher schnuckelig klein gewesen sein (ohne den Raum hinter dem Durchgang, nehme ich an?).
Ohne Uhr bleibt Zeit für alles.
Ja, das erleichtert manches.