Die letzten Gäste tragen einen schwarzen Röhrenfernseher in den Flur. „Hier, bitte sehr, der stand auf der Straße, wir dachten, wir bringen ihn dir als Gastgeschenk mit, du hast ja keinen.“ Wir schauen auf den Fernseher herab wie auf ein erlegtes Tier, sein totes Auge glotzt zurück. „Wein kann ja schließlich jeder“, triumphieren die stolzen Jäger und setzen sich zu den anderen. Der Fernseher bleibt als Stolperfalle mitten im Flur stehen.
„Einmal“, würdigt eine Besucherin gegenüber den Neuankömmlingen, „hatten wir vergessen, rechtzeitig ein Hochzeitsgeschenk zu besorgen. Also haben wir beschlossen, an jeder Tankstelle zwischen Freiburg und Tübingen anzuhalten und etwas mitzunehmen. Immer den größten Mist, den es in der jeweiligen Tankstelle gab. Ich glaube, wir sind auf zwölf Stopps gekommen, ein Haufen von Blödsinn. Das Hochzeitspaar war begeistert.“
Alle nicken: Ja, die hohe Kunst, Gastgeschenke zu machen. Der Fernseher wird am Ende trotzdem wieder mitgenommen – gemeinsam mit der letzten Flasche Wein, um die Party andernorts weiterzufeiern – und zurück zu seinem großen Bruder auf die Straße gestellt. Auch sie sind in der Nacht noch weitergewandert. Am nächsten Tag stehen an der Stelle zwei Plattenspieler.
Wie ich Deine Beobachtungen mag.
Vielen Dank, das freut mich sehr.
Wieder mal sehr schön geschrieben…Solche Gäste finde ich eigentlich sehr passend. Da gibt es auch andere: Am Tag nach der Party, als wir unsere Studenten-WG auflösten, fehlte ein Teil des Hausrats. Unter anderem auch die Glotze. Manche der Gäste hatten das mit der Auflösung wohl zu wörtlich genommen 🙂
Das ist ja ein Ding! Na, solche Gäste könnten mir gestohlen bleiben. Obwohl ich froh wäre, wenn Besucher öfters etwas aus meiner „Bitte zugreifen“-Kiste mitnehmen würden. 😉
Lange her, das waren halt andere Zeiten 🙂
Den größten Teil der „Gäste“ kannte keiner so richtig – heute natürlich nur noch „handverlesenes“ publikum :-9
Versteht sich. 🙂
Hervorragend, Deine Gäste! 🙂
Finde ich auch und bin ganz glücklich. Und einen der Fernsehträger kannte ich bis dahin nicht einmal – wunderbar eingeführt, würde ich mal sagen.
Ja, absolut fantastisch!
Haha! Das hat was, auch wenn es gegen meine persönlichen Goldenen Regeln des Gastgeschenks verstößt: entweder eßbar oder lesbar, sehnlichst gewünscht oder zumindest rückstandslos zu beseitigen.
Wieder mal eine wunderschöne Geschichte!
Das sind schöne und sinnvolle Goldene Regeln des Gastgeschenks! Wer sich eine Regel setzen möchte, sollte sich an deine halten, finde ich.
Und danke sehr.
Deine Anekdote ist so wunderbar geschrieben und wunderbar in sich, dass ich glatt Gänsehaut bekommen hab! Reading sensations!
Buchstabenbunte Grüße
das A&O
Das … ist mal eine ganz besonders schöne Rückmeldung. Herzlichen Dank, liebes A & O.
Hey, ich hab genau so ein Ding noch im Keller stehen. Jetzt weiß ich endlich was ich damit machen werde ; )
Danke für die Anregung!!!
Liebe Grüße von der Bücherliebhaberin
Ich drücke dir die Daumen und gebe den Dank sehr gerne an meine Gäste weiter.
Herzliche Grüße zurück!
Herrlich. 😀 Mein Cousin wird öfter mal Zeug los, was er auf den Gehweg stellt. Muss ihn mal fragen, ob er da auch schon mal einen Fernseher loswerden wollte.
Wundern würde es mich nicht, wenn er damit schon Erfolg hatte. 🙂 Übrigens gibt es in meinem Viertel IMMER vor irgendeinem Haus eine Bücherkiste zum Mitnehmen auf der Straße, wie etwa hier zu sehen: https://zeilentiger.wordpress.com/2013/05/21/protokoll-eines-buchermarktes/. Mir ist das noch nirgendwo so sehr aufgefallen wie hier.